„Jesus hat auch gerne gefeiert“
Das Bild vom Gottesdienst hat sich verändert. Die Kirche muss heute kreativ werden, um die Menschen zu erreichen. Ideen hierfür hat Pastorin Cathrin Schley genügend.
Von Daniela Krause
Als Cathrin Schley vor etwa 30 Jahren ihr Pfarramt antrat, gab es für viele Thedinghauser keinen Sonntag ohne Gottesdienst. Dieses Bild hat sich gewandelt, doch die Maria-Magdalenen-Kirchengemeinde Thedinghausen findet Wege, um Menschen durch alle Generationen wieder für Kirche zu begeistern. Wie diese Wege aussehen und warum Gottesdienste und Feierlaune gut zusammenpassen, erzählt die Pastorin im Interview.
Frau Schley, wie ist es derzeit um den Sonntagsgottesdienst bestellt?
Da kommt es darauf an, welche Jahreszeit wir haben, was genau ansteht und wie die Corona-Zahlen sind. Als die Zahlen sehr hoch waren, sind die Älteren lieber zu Hause geblieben. Meinen Konfirmanden habe ich angeboten: Guckt euch Online-Gottesdienste an, wenn ihr euch damit sicherer fühlt. Von daher waren die Besucherzahlen zu dieser Zeit geringer. Vor den Sommerferien hatten wir viele Sondergottesdienste, die gut besucht waren. Und bei Gottesdiensten, bei denen wir mit viel Zulauf gerechnet haben, wie bei Konfirmationen, haben wir zwei Veranstaltungen hintereinander gemacht. Auch weil gerade Corona bedingt jede zweite Bank gesperrt ist, passen statt 450 derzeit ungefähr nur circa 100 Menschen in die Kirche.
Bei welchen Gottesdiensten werden Sie selber tief berührt?
Das sind für mich die Taizé-Gottesdienste, weil es dort sehr ruhig und meditativ zugeht, sich Musik und Wort abwechseln und es eine sehr besinnliche Atmosphäre ist. Taizé ist ein Ort in Frankreich, an dem Christen aller Konfessionen miteinander feiern. Inzwischen ist es mehr eine große Jugendbegegnungsstätte, aber der Gedanke ist geblieben, dass sich alle durch die Gebetsgesänge getragen fühlen.
Wie ist es bei den „normalen“ Gottesdiensten?
Tatsächlich hat jeder Gottesdienst seine eigenen Tiefen. Wenn ich bei der Familienkirche rund um die Kirche Stationen habe und sehe, wie begeistert die Kinder mitmachen, dann berührt mich das. Genauso berührt es mich, wenn wir Motorradgottesdienst feiern, die Menschen in ihrer Biker-Kleidung vor mir sitzen, am Ende mit Tränen in den Augen rauskommen und sagen: „Es war so ein schöner Gottesdienst.“
Wenn Sie an Ihre Anfänge als Pastorin denken – wie haben sich Gottesdienste im Laufe der Zeit verändert?
Das ist schon fast 30 Jahre her. Damals gab es eine große Stammgemeinde von älteren Menschen, auch viele Russlanddeutsche. Da ist es inzwischen so, dass viele verstorben sind oder zu alt geworden sind. Und für die nächste Generation ist es eben nicht mehr selbstverständlich, einen normalen Sonntagsgottesdienst zu besuchen.
Wie kriegt man gerade die Menschen, die meinen, dass Gottesdienste eher angestaubt und langweilig sind dazu, wieder in die Kirche zu kommen?
Indem man besondere Gottesdienste macht, etwa mit besonderer Musik. Gerade in der Corona-Zeit, als wir selbst nicht mehr singen durften, hat mein Mann die Musik gemacht mit dem E-Piano und hat für uns den Gesang übernommen. Wir haben auch viele moderne Lieder gesungen. Aus seinem Chor hat er noch zwei Mitglieder geholt, und die Gruppe hat dann Pop-Songs erarbeitet und damit die Gottesdienste begleitet. Das hat alleine schon musikalisch neuen Schwung reingebracht. Man kann auch die Andachten unter ein bestimmtes Thema stellen, wie in unseren Sommergottesdiensten, die unter dem Motto „Zwischen Himmel und Erde: Fliegen – hoffen – träumen“ standen, oder wie beim Kunstgottesdienst anlässlich der Kunsttage, wo der ganze Ablauf etwas moderner ist. Moderner heißt nicht oberflächlicher. Ein moderner Gottesdienst kann genauso tiefgreifend sein.
Wie passen denn Feierlaune und Gottesdienst zusammen?
Das passt gut zusammen. Gerade wenn man auf die Markt-Gottesdienste guckt. Als beispielsweise der Thänhuser Markt das erste Mal Pandemie bedingt ausgefallen war, haben wir ganz bewusst einen Gottesdienst dazu auf Plattdeutsch gemacht. Wir hatten eine Dialog-Predigt erarbeitet nach dem Motto: Es ist doch doof, dass der Markt ausfällt und auf was wir jetzt alles verzichten müssen. Das kann man aufgreifen. Außerdem hat Jesus auch gerne gefeiert.
Was suchen die Menschen, die in den Gottesdienst kommen?
Ich glaube das ist ganz unterschiedlich. Konfirmanden suchen eine Veranstaltung die abwechslungsreich, möglichst kurz ist und in der sie irgendwie noch drin vorkommen. Es gibt Menschen, die suchen einfach nur den Ort, von dem sie wissen, dass er dann geöffnet ist und sie dort in Ruhe beten und ihre Anliegen vor Gott bringen können. Es gibt auch Menschen, die erwarten, dass sich die Pastorin oder der Pastor zu einem biblischen Text äußert und ihn auslegt: Was kann der Text für uns in der Gegenwart bedeuten? Die Menschen kommen mit sehr unterschiedlichen Bedürfnissen in die Gottesdienste, und es ist schwierig für uns zu erspüren, was sie in diesem Moment brauchen.
Martin Luther hat seine Kirchenlieder von der Straße geholt, hat gehört, was die Menschen dort singen und dazu die Kirchenlieder geschrieben.
Wie bewegen Sie Jugendliche dazu, in die Kirche zu kommen?
Naja, die Konfirmanden müssen hin (lacht). Bei Jugendlichen ist es tatsächlich schwierig. Die kommen nicht in die normalen Gottesdienste. Und ich gebe zu: Ich war in der Zeit nach meiner Konfirmation auch lange nicht mehr in der Kirche. Da muss es mehr gezielte Gottesdienste für Jugendliche geben, in denen deren Themen drankommen, deren Musik – am besten von Jugendlichen vorbereitet.
Welche Ansätze gibt es in diesem Bereich?
Es gibt den Kreisjugenddienst, der zum Beispiel einmal im Jahr zum Reformationstag die „Church Night“ ausrichtet. Da treffen sich Jugendliche die ganze Nacht über in der Kirche. Es gibt Aktionen wie Taizé-Andachten, Bibellese und Filmvorführungen. Diese Veranstaltung wird immer sehr gut besucht.
Es muss nicht immer die Kirche sein. An welchen alternativen Orten waren Sie schon?
Wir haben beispielsweise im Rahmen des Kindergottesdienstes „Kirche auf dem Bauernhof“ gemacht oder „Kirche im Baumpark“ und halten Taufgottesdienste im Baumpark oder am Erbhof ab. Was alternative Orte angeht, bin ich völlig offen. Auch über den Ort hinaus haben die Menschen bei uns die Möglichkeit, die Gottesdienste aktiv mitzugestalten und ihre Ideen einzubringen.
Angenommen, wir treffen uns in 25 Jahren wieder. Wie wird der Gottesdienst der Zukunft aussehen?
Ob es so sein wird, weiß ich natürlich nicht. Aber ich würde mir wünschen, dass es dann viel mehr Kirchenmusiker gibt, die auch bereit sind, moderne Kirchenmusik zu machen. Ich merke oft, dass die alten Choräle von den Jüngeren nicht mehr verstanden werden. Neuere Lieder sprechen unsere Sprache und unsere Musik. Martin Luther hat seine Kirchenlieder von der Straße geholt, hat gehört, was die Menschen dort singen und dazu die Kirchenlieder geschrieben. Es macht Sinn, zu schauen, was die Leute beschäftigt, dies aufzugreifen und damit zu arbeiten. Auch in der Liturgie und im Ablauf des Gottesdienstes darf es Veränderungen geben. Und es wäre schön, wenn nicht nur der Pastor vorne steht und liest, sondern auch andere aus der Gemeinde aktiv dabei sind.
Das Interview führte Daniela Krause.
Zur Person: Pastorin Cathrin Schley
Seit fast 30 Jahren ist Cathrin Schley Pastorin in der Kirchengemeinde Thedinghausen. Zu ihren Aufgaben gehören neben Gottesdiensten unter anderem Taufen und Trauungen. An ihrer Tätigkeit liebt sie die Abwechslung und die Arbeit nah am Menschen. Sie ist Mama zweier erwachsener Töchter.
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