Fernsehbar und Ausstellungsstück
Ein ehemaliges Requisit der amerikanischen Fernsehserie „Melrose Place“ steht jetzt in der Weserburg – mit versteckten politischen Botschaften.
Von Frank Schümann
Die Museen haben es während der Corona-Pandemie besonders schwer: Immer wieder wurden Ausstellungen geplant und zum Teil auch umgesetzt, ohne dass geöffnet werden durfte – nur, dass man das zum Zeitpunkt der Planung eben noch nicht wusste. Einige Ausstellungen in Bremen und in anderen Städten waren auf diese Weise nur wenige Tage oder bestenfalls zwei Wochen zu sehen; immer wieder stand dann die Frage im Raum: Lassen wir sie länger laufen? Disponieren wir wieder um?
Für Dauer- und Jahresausstellungen gilt dies zum Glück nicht, auch wenn diese natürlich ebenfalls unter den permanenten Neu-Entwicklungen und Lockdown-Szenarien zu leiden hatten. So sollte die Ausstellung „So wie wir sind 3.0“ ursprünglich am 20. März in der „Weserburg – Museum für moderne Kunst“ zu sehen sein; bekanntermaßen kam es dazu nicht, erst seit dem Sinken der Inzidenzwerte Ende Mai ist es wieder möglich. Die Besucher können sich im Rahmen dieser Ausstellung auf ein besonderes Objekt freuen, das auch über die Dauer der Ausstellung (geplant bis 23. Januar 2022) hinaus zu sehen und auch zu nutzen sein wird: eine echte Bar! Und noch dazu eine, die bereits Fernsehgeschichte geschrieben hat.
Kult und Botschaft
Diese Bar war in den 80er-Jahren Teil der US-Serie „Melrose Place“. Der amerikanisch-chinesische Künstler Mel Chin war seinerzeit mitverantwortlich für die Requisiten der Produktion, zu denen eben auch die Barlandschaft inklusive Theke und Regalen gehörte. Das Besondere, was dieses Requisit heute auch zu einem begehrten Ausstellungsstück werden lässt: Chin und seine Kollegen haben nach dem Prinzip des Product Placement überall subversive politische Botschaften mit eingestreut, die man in einer derartigen Serie nicht vermuten würde – und die zu Beginn auch kaum jemand erkannt hat.
So sind die chinesischen Schriftzeichen auf den Take Away-Verpackungen politische Parolen, so ist auf der schwarzen Billard-Acht der ausgebeutete afrikanische Kontinent zu sehen und so erzählen die Flaschenlabel in den Barregalen die Geschichte des Alkoholkonsums in den USA zwischen den Jahren 1700 bis 2000.
Besonderes Wiedersehen
Ein Wiedersehen der besonderen Art bedeutet die Begegnung auch für Janneke de Vries. Die Direktorin der Weserburg hat diese Serie seinerzeit regelmäßig geguckt, räumt sie lachend ein; heute, sagt sie, könne sie nicht mehr allzu viel damit anfangen – angeschaut hat sie sich die Folgen trotzdem noch mal, um das Ausstellungsstück so passend wie möglich einzusetzen. Die Melrose-Place Bar soll übrigens – solange sie hier ist – mehr sein als nur ein Exponat: Sie wird ab sofort auch als Ort für Veranstaltungen eingesetzt.
Auch sonst gibt es in der Ausstellung „So wie wir sind“ einiges zu sehen: Die Neuerungen seien noch umfassender als zuletzt, „wir sind regelrecht in einen Wechselrausch hineingekommen“, sagt Janneke de Vries, die vor zwei Jahren die Leitung des Hauses übernommen hat. Das Format, Themen- und Künstler/innen-Räume auf der Basis von Sammler-Leihgaben und eigenen Beständen zu präsentieren, sei von den Besuchern bislang schon richtig gut angenommen worden.
Und auch die Verantwortlichen der Weserburg sind mit extrem viel Freude und Enthusiasmus dabei. Bei der Auswahl der Arbeiten aus den Sammlungen fühle man sich „wie im Süßwarenladen, in dem man immer wieder Neues entdeckt“, so de Vries weiter, die aber auch einräumt: „Es ist aber auch eine gewisse Corona-Müdigkeit, die sich in dieser Lust am Wechsel zeigt. Wir Kuratoren sind ausgehungert, wollen endlich wieder Ausstellungen zeigen.“
Auch sonst viel zu sehen
Gemeinsam mit ihrem Kuratoren-Kollegen Ingo Clauß hat Janneke de Vries bei der dritten Auflage der Werkschau sieben Areale und fünf Künstler/innen-Räume entwickelt, in denen der Weserburg entsprechend einmal mehr gesellschaftliche Themen verhandelt, aber auch einzelne künstlerische Positionen gesondert vorgestellt werden.
Im Gegensatz zum ersten Wechsel ist kaum ein Bereich so geblieben, wie er war. Fragen wie nach dem zeitgenössischen Bild des Menschen, nach der Rolle des Alltags oder nach der Fotografie werden in der Ausstellung ebenso in den Blick genommen wie Deutschlandbilder, das Medium Buch oder zeitgenössische Kunst als Ausdruck von ästhetischem Widerspruch.
Die Ausstellung
Die Ausstellung „So wie wir sind 3.0“ ist bis einschließlich 23. Januar 2022 zu sehen.