Kraul mal!
Hunde sind der beste Freund des Menschen – oder die beste Freundin. Letzteres trifft auf Mimi zu. Sie ist eine polnische, inzwischen elf Jahre alte Jack Russel Terrier-Dame. Bei ihr vergeht kein Tag ohne Kraul- und Streicheleinheiten.
Von Ulf Buschmann
Verschlafen? Das passiert nicht – zumindest dann nicht, wenn ich meiner zweiten Heimat bin. Dies ist die Kaschubei südlich von Danzig. Dort, in dem kleinen Ort Otomino oberhalb von Zuckowo, lebt Mimi. Sie ist eine kompakte Dame der Rasse Jack Russel Terrier. Das Kommando „Krecik“, was „kleiner Maulwurf“ heißt, lässt Mimi abgehen wie Schmidts Katze. Auch sonst ist sie nicht gerade ängstlich, will sagen: eher mutig. Auch gegenüber großen Hunden.
Aber es gibt auch die sanfte Seite: die des gestreichelt und gekrault werden Wollens. Damit geht es morgens los. Während ich noch gemütlich im Bett liege und mit einem Auge schaue, ob die Sonne schon aufgegangen ist, hüpft Mimi auf eben jenes rauf. Die Dame hat keine Scheu, quer über mich rüber zu laufen und mich sozusagen über das Eindrücken meiner Eingeweide zu wecken. Sollte das nicht ausreichen, leckt sie mir einmal durchs Gesicht. Spätestens dann bin ich wach.
„Los! Kraul mich!“
Stufe zwei: Hund rollt sich passend zur Rundung meines Körpers ein und wartet immerhin gefühlt zehn Sekunden. Sollte ich in diesem Zeitraum nichts gemacht haben, bedeutet Mimi mir entweder mit ihrer rechten Vorderpfote oder Schnauze: „Los! Kraul mich!“ Dann bleibt mir nichts anderes übrig als erst den Nacken, dann den Bauch und zum Schluss den Hals zu bearbeiten. Wenn es genug ist, springt die Hundedame vom Bett und ist verschwunden.
Etwa zwischen 13 und 15 Uhr muss ich wieder ran. Ich weiß: Sobald Mimi mich anschaut, hat sie entweder Hunger oder möchte gestreichelt beziehungsweise gekrault werden. Da sie eher eine Wenig-Fresserin ist, trifft Letzteres in der Regel zu. Ergo setzte ich mich auf die zweite oder dritte Stufe der Treppe und lege los. Mimi und die zweite Hundedame des Hauses, Tola, von mir liebevoll „kaschubische Mettwurst“ genannt, lassen die Streicheleinheiten der um ein vielfaches größeren Hände als von Frauchen Kasia nicht entgehen.
Mittagskraulen
Kopf, Hals, Kopf, wieder Hals und vielleicht noch ein bisschen Bauch – dieses Ritual wiederholt sich so lange, bis Mimi ihre rechte Vorderpfote nicht mehr hebt oder mich mit ihrer Schnauze nicht mehr anstupst. Der Rekord dieses fast täglichen Mittagskraulens liegt bei gefühlten 20 Minuten und wird erst durch das Auftauchen von Frauchen Kasia zwecks Verteilung von Fressen unterbrochen. Diesbezüglich ist Tola in der Regel schneller als Mimi – den Kosename „kaschubische Mettwurst“ trägt sie nicht umsonst.
Zum Ende des Tages wartet dann nicht ein gutes Getränk auf mich, sondern ein Hund: Mimi! Wenn ich mich auf der Couch lang mache, ist die Dame nicht weit. Spätestens nach fünf Minuten hüpft Mimi auf mich rauf und legt sich erwartungsvoll entweder auf meine Oberschenkel oder meinen Bauch – was nach dem Genuss von Kasias Kochkünsten etwas anstrengend ist. Aber was tue ich als Tierfreund nicht alles zur Aufhellung eines Hundegemüts?
Die Methode „Krecik“
Nun kraule ich wieder, was das Zeug hält. Mimi ihrerseits genießt die Abendaktion mit einem hörbar zufriedenen Schmatzen. Kopf, Hals, Bauch, hin und wieder mal die Pfote. Alles darf es abends sein. Mit der Zeit lerne ich sogar, multitasking-fähig zu werde. Ich kann gleichzeitig dem Film auf Netflix folgen und die gewollten Zonen auf beziehungsweise am Hundekörper kraulen. Inzwischen habe ich sogar eine – zugegebenermaßen fiese – Methode entwickelt, um Mimi auch mal loszuwerden: Ich sage „Krecik“. Mimi und Tola springen bellend von mir oder wo auch immer herunter und stehen an der Terrassentür. Öffnen muss allerdings Kasia.
Übrigens fällt mir beim Schreiben dieser Zeilen ein Vierbeiner-Klassiker von Reinhard Mey ein: „Es gibt Tage, da wünscht ich, ich wär’ mein Hund.“