Der schwierige Umgang mit dem Tod
Sarah Wermuth (30) schreibt Trauerreden und begleitet Menschen beim Abschiednehmen.
Von Frank Schümann
Eine ganz in Schwarz gekleidete Person, ernster Blick, distanzierte Freundlichkeit; so in etwa stellen sich viele Menschen diejenigen vor, die Trauerreden schreiben. Ist ja auch kein Wunder – kann denn fröhlich sein, wer sich tagtäglich mit dem Tod beschäftigt?
Nachbarschaftshilfe
Ja, sagt Sarah Wermuth und schenkt dem Gesprächspartner gleich zum Auftakt ein herzliches Lächeln. Dann erzählt sie ihre Geschichte: Aufgewachsen in Ostfriesland, in dem 300-Seelen-Dorf Leybuchtpolder, das 1972 nach Norden eingemeindet wurde, sei sie früh mit dem Tod konfrontiert worden: „In so einem kleinen Ort kennt jeder jeden, und jeder ist für den anderen da.“ Man habe sich gegenseitig viel geholfen, den Alten, den Sterbenden etwa Essen gebracht; so sei es für sie auch als Kind schon ganz normal gewesen, Abschied zu nehmen. „Das, was heute Sterbebegleitung ist, war da reine Nachbarschaftshilfe“, sagt Sarah Wermuth.
„Schrecken wird anerzogen“
Das habe sie sehr geprägt, sagt die 30-Jährige, die seit einigen Jahren in Bremen lebt. Der Tod sei Alltag gewesen, wie das Leben auch; wenn ein toter Fuchs auf der Straße lag, dann habe sie sich eben darum gekümmert; und von der Uroma, die offen aufgebahrt dagelegen sei, habe sie sich so viel besser verabschieden können. „Ich habe das nie hinterfragt, es war normal“, sagt Sarah Wermuth. Diese Offenheit liege den Kindern ja im Grunde ganz instinktiv inne, auch beim Thema Tod: „Der Schrecken davor wird uns anerzogen. Durch die Tabuisierung wird uns vor allem die Chance genommen, Wege zu finden, mit all dem umzugehen.“
Zunächst Sozialarbeit
Beruflich verschlug es sie zunächst in die Sozialarbeit – sowohl in der Praxis als auch in der Theorie, über ein Studium. Sie machte ihren Bachelor of Arts in Sozialer Arbeit, schrieb ihre Abschlussarbeit zum Thema Tod und Sterbebegleitung. Anschließend und nebenbei arbeitete sie viel mit älteren Menschen, machte auch Sterbebegleitung und konzeptionierte unter anderem die Ausbildung von Hospizmitarbeitern in Emden.
Angst vor dem Tod? Nein
Mitgefühl und Empathie waren immer dabei – und, siehe oben, Angst vor dem Tod hatte sie auch keine. Nie. Im Gegenteil: „Er gehört ganz unumgänglich zum Leben dazu.“ Viele Menschen würden den Tod ausschließen – das sei genau der falsche Weg. „Viele Traumata sind genau darauf zurückzuführen“, sagt sie: „Man darf ihn nicht tabuisieren.“ In unserer Gesellschaft sei es leider eine akzeptierte Lösung, den Tod einfach auszuschließen und zu tabuisieren, so Wermuth weiter. Doch dieser Weg führt nicht unbedingt zum Guten: „Viele Traumata sind genau darauf zurückzuführen – der Tod und die Trauer verschwinden nun mal nicht, nur weil wir nicht darüber reden“.
Sarah Wermuth beschloss, sich dem Thema noch mehr zu widmen, und machte eine Ausbildung zur Trauerrednerin; seit einigen Jahren praktiziert sie dies mit großem Erfolg. „Gerade in der Corona-Zeit bestand ein großer Bedarf an kreativen Lösungen“, weiß Wermuth. Denn: wie nimmt man angemessen Abschied, wenn man sich nicht sehen darf? „Auf einmal mussten alle offener werden“. Entsprechend gab es auch für sie sehr viel zu tun.
Vielen Arten der Hilfe
Gebucht werden kann sie auf unterschiedliche Art und Weise. Als reine Rednerin auf einer Beerdigung oder auch im größeren „Paket“, inklusive der Organisation der Trauerfeier und allem, was dazugehört. „Es ist wie eine Art Wedding Plannerin für Beerdigungen“, sagt sie, wobei wichtig ist zu betonen: Wenn sie so etwas sagt, klingt es nie despektierlich, sondern immer respektvoll – in der Form, dass der Tod eben einfach dazugehört. „Ich plane, koordiniere, organisiere, stehe bei, beantworte Fragen und finde Lösungen. Im Grund mache ich immer noch Sozialarbeit, nur, dass es jetzt eben um Beerdigungen geht.“
„Bin nicht zum Trösten da“
Was braucht man, um auf diese Art zu arbeiten – und Trauerreden zu schreiben, die den Menschen auch gerecht werden, von denen man Abschied nimmt? Persönlichkeit und Intimität, sagt sie. Man müsse gut zuhören können. Aber vor allem brauche man die entsprechende Haltung. Die da wäre? „Ich akzeptiere den Tod, er gehört zu uns. Ich sehe ihn überhaupt nicht als Gegner, er kann auch unser Freund sein.“ Das heißt natürlich nicht, dass man keine Trauer empfinden dürfe – ganz im Gegenteil, die sei wichtig. Sie selbst sei auch immer traurig, wenn es jemanden zu verabschieden gilt. Aber: „Ich bin nicht zum Trösten da – sondern, um etwas mitzutragen. Ich kann trauernden Menschen Halt geben und mit ihnen durch die Krise gehen.“
…so, wie er war!
Auch, was die Herangehensweise an ihre Reden betrifft, hat Sarah Wermuth ihre ganz eigene Art. Man höre den Angehörigen gegenüber häufig, dass man jetzt stark sein müsse, führt sie aus – doch damit kann sie gar nichts anfangen, da wird sie fast ärgerlich. „Nein, das muss man eben nicht“, sagt sie vehement, „man darf durchaus auch nach hinten gucken, und zwar so lange, wie man es als Mensch eben braucht.“ Und der Blick zurück dürfe durchaus schön sein, nicht nur traurig oder von Schwere geprägt. Genauso wichtig: Dass das, was erzählt wird, ehrlich ist. Man müsse doch im Nachhinein einen Menschen nicht besser machen, als er war; wenn er Ecken und Kanten hatte, müsse man das benennen. Auch das Schwere sollte man nicht ausklammern – „man darf so über einen Menschen sprechen, wie er war, denn so wurde er auch geliebt und so werden die Menschen an ihn erinnert.“
Sarah Wermuth macht genau das – natürlich immer in Absprache mit den Angehörigen. „Ich höre ganz genau zu. Was hätte der Verstorbene gewollt? Es soll dem entsprechen. Wir wollen ihm nah sein.“
Der Weg zu Sarah Wermuth
Sarah Wermuth ist unter ihrer Webpräsenz www.deine-freie-rednerin.com zu erreichen.
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