Bremen wählt 2023: Bovenschulte gegen Imhoff
Am 14. Mai wählen die Menschen in Bremen und Bremerhaven den Landtag und die Kommunalvertretungen. Es dürfte vor allem ein Wettlauf zwischen Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) und Bürgerschaftspräsident Frank Imhoff (CDU) werden.
Von Ulf Buschmann
Andreas Bovenschulte ist ein großer Mensch. Bremens Senatspräsident überragt mit seinen 1,98 Metern nicht nur buchstäblich alle anderen, sondern auch im übertragenen Sinne. Logisch, dass seine Partei damit Wahlkampf macht. Bovenschulte ist SPD-Mann und soll dafür sorgen, dass auch nach dem 14. Mai die Tradition im kleinsten Bundesland fortgeführt wird. Seit den ersten freien Wahlen nach dem Zweiten Weltkrieg stellen die Sozialdemokraten ununterbrochen den Bürgermeister beziehungsweise Präsidenten des Senats. Mal haben sie allein regiert, mal in Koalition – zuletzt in einem Bündnis von Grünen und Linken.
Ob es in der neuen Wahlperiode zu einer Neuauflage des aktuellen Bündnisses kommt, ist aktuell völlig offen. Innerhalb der Parteien wird über diverse Optionen diskutiert: von Rot-Grün über Rot-Schwarz bis zu Schwarz-Grün. Sollte es reichen, dürfte es eher zu einem neuen Zweier- als zu einem Dreierbündnis kommen. Begründung: Grüne und Linke mögen sich nicht wirklich. Vor allem Maike Schaefer (Grüne), aktuell Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau (SKUMS), und Kristina Vogt (Linke), zuständig für Wirtschaft, Arbeit und Europa, liegen mit ihren Auffassungen zu einigen wichtigen Themen über Kreuz.
CDU-Tandem
Im Wahlkampf jedoch ist davon nichts zu merken. In den hiesigen Medien und den sozialen Netzwerken sind in erster Linie zwei Menschen präsent: Sozialdemokrat Bovenschulte und Christdemokrat Frank Imhoff, Spitzenkandidat seiner Partei, Präsident der Bremischen Bürgerschaft und Landwirt. Ihm haben die Strategen eine junge Frau an die Seite gestellt: Wiebke Winter. Die angehende Juristin ist Jahrgang 1996, Mitbegründerin der Klimaunion, Landesvorsitzende der Jungen Union und jüngstes Mitglied des CDU-Bundesvorstands. Gemeinsam treten beide als „#dastandem“ auf. Winters Aufgabe ist es, die jungen Wähler mit ihrem Kernthema Klima und Bildung zu gewinnen. Imhoff kümmert sich eher um die (traditionelle) Klientel der Christdemokraten.
Ganz anders machen es die Sozialdemokraten. Bei ihnen spielt nur einer eine Rolle: Bürgermeister Andreas Bovenschulte. Wie einst Henning Scherf, ist er omnipräsent. Zwar hat Bovenschulte einiges Inhaltliches zu sagen, wie jüngst in einem Spiegel-Interview zum Thema Verbot von Öl-und Gasheizungen. Doch im Wahlkampf und im Politikmarketing rockt der Bürgermeister die SPD-Blase – und nicht nur die. Beliebt und volksnah ist er bei der Bevölkerung allemal. Und das vor allem dann, wenn Bovenschulte öffentlich seiner Leidenschaft frönt: der Musik. „Bovi rockt Bremen“ hieß es etwa Mitte April.
„Bovi“ vor Imhoff
Dass die Wahlkampfmanager der Genossen damit gut liegen, zeigen auch die Ergebnisse der letzten großen repräsentativen Umfrage von Infratest Dimap. Im Auftrag von Radio Bremen und der Nordsee-Zeitung haben die Meinungsforscher unter anderem gefragt, wen die Bremer und Bremerhavener im Falle einer möglichen Direktwahl den Vorzug geben würden. Das Ergebnis ist eindeutig: 52 Prozent für Bovenschulte, 17 Prozent für Imhoff und gerade einmal fünf Prozent für Schaefer. Die Grüne hat es sich bei den Menschen allem Anschein nach durch ihre rigorose Politik des Herausdrängens der Autos aus der Bremer City verscherzt.
Bei der Frage, wem die Wähler ihre möglichen fünf Stimmen geben werden, ist das Ergebnis knapp. Danach kommt die CDU auf 28 Prozent, die SPD auf 31, die Grünen auf 17 und die Linke auf 7 Prozent. Die FDP und die Wählervereinigung „Bürger in Wut“ (BIW) landen bei jeweils sechs Prozent. Dass die Alternative für Deutschland (AfD) nicht auftaucht, hat einen Grund: Die Partei ist so zerstritten, dass sie zwei Listen beim Landeswahlleiter eingereicht hat – und nicht zugelassen worden ist. Daran haben auch Klagen der Partei nichts geändert.
Bildung und Sicherheit
Inhaltlich geht es im Wahlkampf neben den großen Themen wie Klimawandel und wirtschaftliche Sicherheit um spezielle Bremer Themen. An erster Stelle steht die Bildung. Dem kleinsten Bundesland fehlen seit Jahren Lehrer und es landet bei bundesweiten Vergleichstests stets auf dem letzten Platz. Zudem fehlen in Bremen und Bremerhaven tausende von Kitaplätzen – von Personal einmal ganz zu schweigen. Aber auch die Sicherheit ist ein großes Thema. Vor allem rund um den Bremer Hauptbahnhof meldet die Polizei regelmäßig Überfälle, Angriffe auf Menschen und Probleme mit dem Drogenhandel. Entsprechend unsicher fühlen sich die Menschen dort.
Dies und das im Land Bremen vorhandene Wählerpotenzial rechts von der CDU dürfte in diesem Jahr einer Gruppierung nutzen: den „Bürgern in Wut“, kurz BIW. Sie sind zwar schon seit einigen Jahren in der Bremischen Bürgerschaft, dem Landtag, vertreten. Doch die Fünf-Prozent-Hürde übersprangen die BIW bislang aufgrund der Besonderheit des Wahlgesetzes nur in Bremerhaven. Weil die AfD selbst ins Abseits befördert hat, so vermuten Beobachter der hiesigen Szene, werden die Wähler der Partei sich an die BIW halten. Hinzukommt, dass die Bremer ein Teil des rechtskonservativen „Bündnis Deutschland“ werden – und damit mehr Geld für den Wahlkampf in der Kasse haben.
Angesichts des Umstandes, dass die AfD nicht zur Wahl zugelassen worden ist und dies auch nicht durch eine Klage im Eilverfahren erreicht hat, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Partei die Bürgerschaftswahl anfechten wird. Dann könnte es durchaus sein, dass das kleinste Bundesland im Herbst erneut wählt.
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Wer wählt wen?
Am 14. Mai haben die Bremer und Bremerhavener einen Ankreuz-Marathon vor sich. Sie wählen nicht nur ihren Landtag, die Bürgerschaft. Im kleinsten Bundesland sind gleichzeitig Kommunalwahlen. Das bedeutet: In der Stadtgemeinde Bremen befinden die Menschen über die Zusammensetzung der Stadtbürgerschaft und der Stadtteilbeiräte. In Bremerhaven findet auch der Urnengang für die Stadtverordnetenversammlung statt.
Auf Landesebene, also in den Städten Bremen und Bremerhaven, sind insgesamt 16 Parteien und Wählervereinigungen zugelassen: CDU, SPD, Grüne, Die Linke, FDP, Bürger in Wut, „Die Partei“, „dieBasis“, Grundeinkommen für alle (GFA), die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD), MERA25, die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP), die „Partei für schulmedizinische Verjüngungsforschung“, die Tierschutzpartei und „Volt Deutschland“.
Jeder Wahlberechtigte hat fünf Stimmen. Diese kann sie oder er frei verteilen: auf die Landeslisten oder auf einzelne Kandidaten. Um in den Landtag einzuziehen, müssen die Bewerber wie überall in Deutschland mindestens fünf Prozent der Stimmen erreichen. Allerdings gibt es im kleinsten Bundesland eine Besonderheit: Die Fünf-Prozent-Hürde gilt jeweils für Bremen und Bremerhaven getrennt. Das bedeutet, kommt ein Bewerber für den Landtag in Bremen oder in Bremerhaven auf mindestens fünf Prozent, zieht er ins Parlament ein.
Wahlberechtigt für den Landtag sind alle Menschen, die mindestens drei Monate in Bremen wohnen, mindestens 16 Jahre alt sind und die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Auf kommunaler Ebene dürfen auch EU-Bürger mit abstimmen – also über die Stadtbürgerschaft und die Stadtteilbeiräte in Bremen sowie die Stadtverordnetenversammlung in Bremerhaven. Weitere Antworten gibt es auf dem Portal der Landeszentrale für politische Bildung.
Die Nord West Reportagen haben zum Thema mehrere Themen veröffentlicht: eine Vorschau im vergangenen Jahr, Buschmanns Kosmos über Wahlverhalten und 75 Jahre Stadtverordnetenversammlung Bremerhaven.
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